Buch-Review: Trost der Philosophie - Boethius
Meine Buch-Review zu: Trost der Philosophie von Boethius!
Autor: Anicius Manlius Torquatus Severinus Boethius
Der römische Philosoph Boethius – ausgeschrieben Anicius Manlius Torquatus Severinus Boethius – gilt als der letzte bekannte Repräsentant der antiken römischen Philosophen und Gelehrten. Da er um 480 n . Chr. geboren wurde und 524 n. Chr. starb, lebte der christliche Philosoph also noch vollständig der Antike bzw. der Spätantike und nicht etwa im Mittelalter bzw. dem Frühmittelalter.
Boethius stammte aus einer einflussreichen römischen Familie und war bereits in jungen Jahren ein angesehener Gelehrter, der mit den Jahren auch immer mehr an politischem Einfluss gewann. Als Römer und Katholik hatte er im Reich des arianischen Ostgotenkönigs keine einfache Stellung; und doch wurde Boethius zunächst Konsul und später auch Magister officiorum, womit er der Reichsverwaltung unter König Theoderich vorstand. Dabei war er vor allem für sein selbstbewusstes Auftreten und sein energisches Vorgehen im Kampf gegen Unrecht bekannt.
Gerade diese Eigenschaften riefen politische Gegner auf den Plan, die sich in ihrer Missmut gegenüber Boethius bestätigt sahen, als dieser sich für den wegen Hochverrat angeklagten Senator Albinius einsetzte. Daraufhin wurde er ebenfalls angeklagt, von seinen politischen Ämtern abgesetzt, zunächst unter Hausarrest gestellt und später in Pavia ins Gefängnis geworfen. Nachdem die Vorfälle unter mithilfe seiner politischen Gegner untersucht worden waren, wurde Boethius ohne die Möglichkeit zur Verteidigung im Jahr 524 n. Chr. zum Tode verurteilt.
Zeit seines Lebens war Boethius ein großer Freund der Philosophie und beschäftigte sich viel mit den Werken Platons und Aristoteles, die er teilweise auch übersetzte und kommentierte. Zudem schrieb er auch selbst Syllogismen sowie Texte über Mathematik, Musik und Theologie. Sein Hauptwerk „Trost der Philosophie“ entstand während seiner Inhaftierung und wurde Anfang 2022 im Anaconda Verlag neu aufgelegt.
Inhalt: Einzigartiger Dialog zwischen Boethius und der Philosophie
In seinem Buch „Trost der Philosophie“ führt der Autor Boethius einen Dialog mit der Philosophie, welche ihm als menschliche Gestalt in seiner Gefängniszelle erscheint. Diese erkennt die missliche Lage des unglücklichen Boethius und möchte ihm mit den Antworten der Philosophie helfen, wieder in die Spur zu kommen. Dazu legt sie im ersten von insgesamt fünf Büchern, aus denen „Trost der Philosophie“ besteht, gemeinsam mit dem Häftling zunächst einmal die Grundlagen.
Dabei ist schnell zu erkennen, dass Boethius ein großer Freund der Lehren von Platon und Sokrates war, die Lehren von Epikur und den Stoikern allerdings kritisch sah. Da schreibt er, dass der Epikureismus von Epikur – dessen Buch „Von der Lust zu leben“ ebenfalls im Anaconda Verlag erschienen ist – und der Stoizismus – aufgegriffen in Büchern wie „Stoizismus und die Kunst, glücklich zu sein„, „Der echt heiße Scheiß von Seneca“ oder „Vom Seelenfrieden“ – Teile der ganzen Philosophie geraubt, verändert und diese als einzig wahre Philosophie ausgegeben hätten.
„Was also, ihr Sterblichen, sucht ihr draußen das Glück, das in euch liegt?“ – Boethius
So hilft die Philosophie dem Häftling immer wieder auf die Sprünge und erinnert Boethius, der seit seiner Jugend große Freude an der Philosophie hatte, immer wieder an einige Wahrheiten, die er bereits in sich trägt. So sagt die Philosophie: „Ich suche lieber als die mit Elfenbein und Kristall geschmückten Wände Deiner Bibliothek den Sitz Deines Geistes auf; dort habe ich nicht Bücher, sondern, was Büchern erst wert verleiht, den Sinn meiner Bücher niedergelegt.„
Zunächst widmen sich die beiden auf vergleichsweise einfache Weise dem Thema Glück oder Glückseligkeit. Dieses findet sich auf den rund 150 Seiten des Buches „Trost der Philosophie“ immer wieder und wird stets von anderen Seiten beleuchtet. Zu Beginn kommen Boethius und die Philosophie zum Schluss, dass Glück niemals von außen, sondern immer von innen komme und zudem – wie alles, was irdisch erzeugt wird – nicht beständig sei.
Doch die Glückseligkeit ist zwar das vorherrschende, nicht aber das einzige Thema im Buch „Trost der Philosophie“ von Boethius. Denn nacheinander widmen sich die beiden auch Themen wie der Genügsamkeit, der Macht sowie der Ehre und dem Reichtum. Besonders interessant wird es allerdings, als sie auf nahezu alle großen Fragen, die sich Menschen seit Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden stellen zu sprechen kommen: Ist der Mensch von Natur aus gut oder böse?, Gibt es einen freien Willen?, Ist der Lauf des Lebens vorbestimmt?, Kann ich mein Schicksal beeinflussen?, Gibt es etwas, das wahrhaft ewig ist und alle Zeiten überdauert? usw..
„Gibt es einen Gott, woher das Übel? Gibt es keinen, woher das Gute?“ – Boethius
Während einige Antworten auf diese Fragen relativ einfach und eindeutig zu verstehen sind, gestaltete sich selbst die Interpretation anderer beim Lesen für mich schwierig. Denn Boethius argumentiert in „Trost der Philosophie“ häufig mit Kausalitäten und Schlussfolgerungen, die sich teilweise über mehrere Seiten erstrecken. Der Aufbau aller fünf Bücher, in die das Buch von Boethius unterteilt ist, ist dabei immer ähnlich: auf einen Textabsatz folgt stets ein Lied, welches die Philosophie für Boethius singt und in welchem die Erkenntnisse oftmals nochmal in geschwollener Sprache untergebracht oder aufbereitet werden.
Trotz der dauerhaften Dialoge zwischen Boethius und der Philosophie, die manchmal durchaus stören können, lässt sich das Buch „Trost der Philosophie“ für ein so altes Buch gut lesen, wenn man philosophische Texte gewöhnt ist. – Anhand der folgenden Zeilen aus dem vierten Buch von „Trost der Philosophie“ kannst Du Dir vielleicht ein gutes Bild von der Sprache und der Dialogstruktur machen:
„Siehst du also jetzt, wohin alles, was wir gesagt haben, hinaus will? – Wohin denn? sagte ich. – Dass alles Glück, sagte sie, zum Guten neigt. – Und wie kann das sein? sprach ich. – Merke auf, sagte sie, da alles Glück, ob freundlich oder rau, um einerseits die Guten zu belohnen oder zu prüfen, andererseits die Schlechten zu strafen oder zu bessern, verhängt wird, so ist alles, weil es gerecht oder nützlich ist, auch gut.„
„Es ist notwendig zu erkennen, dass Gott die Glückseligkeit ist.“ – Boethius
Obwohl ich zwei Zitate aus dem Buch „Trost der Philosophie“ zum Thema Gott ausgewählt habe, kann man das Buch von Boethius zu 100 Prozent auch unabhängig von der Existenz oder dem Grad der eigenen Religiosität oder Zugehörigkeit gut lesen. Obwohl Boethius Zeit seines Lebens bekennender Christ war, wird das Buch „Trost der Philosophie“ von einigen sogar als Abkehr vom Christentum – nicht aber von der Religion – verstanden, da er nie konkret auf den christlichen Glauben, sondern „nur“ immer wieder auf Gott Bezug nimmt.
Anhand meiner Learnings und Handlungsaufforderungen wirst Du allerdings auch erkennen, dass sich vielfältige und nicht religiöse Erkenntnisse sowie Denkanstöße vor allem aus dem Bereich Selbst in „Trost der Philosophie“ finden lassen. Während mir dies in einem Buch wie Meister Eckharts „Vom Adel der menschlichen Seele“ zwar auch gelungen, aber schwerer gefallen ist, war dies bei Boethius „Trost der Philosophie“ keine Schwierigkeit.
Dennoch wird Gott in diesem Artikel noch ein letztes Mal angesprochen, da ich auch das abschließende Appell, mit dem Boethius sein Buch „Trost der Philosophie“ abschließt wiedergeben möchte: „Widersteht also den Lastern, pflegt die Tugenden, er hebt den Geist zu rechter Hoffnung, richtet demütiges Gebet nach oben. Euch ist, wenn ihr euch nicht verleugnen wollt, die Notwendigkeit zur Redlichkeit [= Ehrlichkeit] auferlegt, da ihr vor den Augen des alles sehenden Richters handelt.„
Meine 5 Learnings
- Wahres Glück kommt niemals von außen, sondern stets von innen; und selbst dieses Glück ist nicht beständig, sondern kommt und geht.
- Überaus klein ist das, was den Beglücktesten ihre höchste Glückseligkeit entzieht.
- Nichts ist elend, als wenn man es dafür hält, und andererseits ist jedes Los glücklich dem, der es mit Gleichmut trägt.
- Es gibt nicht die eine Realität, da alles, was erkannt und gewusst wird, nicht aus seiner eigenen Natur oder einer ihr innewohnenden Kraft, sondern gemäß der Fähigkeiten des Erkennenden und aus Sicht des Auffassenden erkannt wird.
- Jede plötzliche Veränderung vollzieht sich nicht ohne ein gewisses Auf- und Abfluten des Geistes.
- Das Gute (und die Glückseligkeit) ist das (End-)Ziel aller Dinge und aller Menschen, und doch strebt jeder auf eine andere Weise danach, dies zu erreichen.
- Denn dem Geiste der Menschen ist von Natur die Begierde nach dem wahren Guten eingepflanzt, nur der missleitende Irrtum verführt sie zum Falschen.
- Alles ist von Natur aus vollkommen und alles, was unvollkommen genannt wird, das wird durch Verringerung eines Vollkommenen unvollkommen.
- Daher kommt es, dass wenn irgendetwas in irgendeiner Gestalt unvollkommen erscheint, es notwendig auf etwas Vollkommenes hinweist.
Meine 5 Handlungsaufforderungen
- Sprich Deine Probleme, Ängste und alles, was Dich bedrückt offen aus und verbirg es nicht in Deinem Geist!
- Denn Wenn Du die Hilfe des Arztes erwartest, so offenbare Deine Wunde!
- Erkenne, wenn Du das nächste Mal denkst, dass sich das Glück Dir gegenüber gewandelt habe, dass es lediglich die Beständigkeit in seiner eigenen Veränderlichkeit bewahrt hat!
- Sei also klug und schaue nicht nur, was Du gerade vor Deinen Augen siehst, sondern beachte stets die Veränderlichkeit des Glücks nach beiden Seiten!
- Dadurch werden weder die Drohungen des Glücks furchtbar, noch seine Schmeicheleien wünschbar!
- Mache Dir in traurigen oder schweren Zeiten bewusst, wie viele schöne und glückliche Ereignisse Du in Deinem Leben bisher schon gehabt hast, und dass noch weitere folgen werden!
- Stelle Dir in schweren Zeiten vor, wie viele Menschen sich dem Himmel nah glauben würden, wenn ihnen nur der geringste Teil der Überreste Deines Glücks zuteilwerden würde!
- Und solltest Du Dich nicht für glücklich schätzen, weil die glücklichen Momente vorbei sind, hast Du auch keinen Grund, Dich für unglücklich zu halten, da auch die traurigen Momente vorübergehen werden!
- Versuche niemals (seelischen) Mangel durch (materielle) Fülle zu verjagen, da dies zum Gegenteil ausschlägt!
- Sei Dir bewusst darüber, dass Du umso mehr begehrst und bedarfst, je mehr Du bereits besitzt!
- Beeinflusse Menschen um Dich herum positiv, aber gib Dich nicht der Illusion unendlichen Ruhms hin, da dieser ebenso sterblich ist, wie Du!
- Sei also zufrieden damit, wenn sich Dein Ruhm unter den Seinigen, nicht aber in der Zeit, ausbreitet!
- Denn Begrenztes kann man wohl noch zueinander in Beziehung setzen, aber zwischen Endlichem und Unendlichem gibt es keine!
- So kommt, dass der Ruf in einer noch so ausgedehnten Zeit, wenn er zusammen mit der unerschöpflichen Ewigkeit gedacht wird, nicht klein, sondern überhaupt nicht vorhanden scheint!
Fazit: Philosophische Antworten auf die großen Fragen der Menschheit
Dass das Buch „Trost der Philosophie“ von Boethius sehr philosophisch geschrieben ist, kannst Du Dir vermutlich schon denken. Daher ist es nicht immer leicht, wirklich alle Antworten und Erkenntnisse direkt und vollumfänglich zu verstehen. Doch wer sich genügend Zeit nimmt und den spannenden Ausführungen von Boethius in seinem Dialog mit der menschlichen Gestalt der Philosophie widmet, kann zweifelsfrei einiges für sich und sein Leben mitnehmen.
Denn auf den etwa 150 Seiten des Buches „Trost der Philosophie“ befasst sich Boethius vor allem mit dem Thema Glück, allerdings auch mit vielen der großen Fragen der Menschheit. Dazu gibt es immer wieder spannende philosophische Antworten und Schlussfolgerungen, in denen auch Gott für Boethius eine wichtige Rolle spielt. Allerdings ist das Buch auch für nicht religiöse Menschen überaus interessant und bietet viele interessante Impulse. – Daher kann ich das Buch im Bereich Selbst definitiv empfehlen!
Deine Meinung zum Buch "Trost der Philosophie" von Boethius
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Hinweise zur Buch-Review "Trost der Philosophie" von Boethius:
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